Der Steuerpflichtige beantragte die Aussetzung der Vollziehung für die Umsatzsteuer insoweit, als das Finanzamt für seine Werbeleistungen aus dem "Food-Bereich“ die Umsatzsteuer mit 19% und nicht mit 7% berechnete. Bei der Lieferung von Werbemitteln handelt es sich nicht um eine sonstige Leistung, sondern um eine Lieferung. Es bestehen daher ernsthafte Zweifel, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, ist die Steuerfestsetzung ganz oder teilweise auszusetzen.
Praxis-Beispiel:
Der Antragsteller betrieb einen Handel für Werbeartikel. Seine Kunden konnten aus einem Sortiment verschiedener Waren wählen. Zur Auswahl standen insbesondere Kugelschreiber und Feuerzeuge sowie auch zahlreiche Produkte der sog. Kategorie "Food", die jeweils in kleinen Abpackungen angeboten wurden, wie z.B. Fruchtgummis, Pfefferminzbonbons, Brausebonbons, Popcorn, Kekse, Glückskekse, Schokolinsen, Teebeutel und Kaffee oder Traubenzuckerwürfel. Die Kunden konnten diese nach ihren Wünschen individualisiert beziehen. Die Individualisierung erfolgte durch Umverpackungen, Aufdrucke, Gravuren oder Ähnlichem. Der Antragsteller bezog die Gegenstände nach den Kundenwünschen von seinen Lieferanten oder ließ sie von Dritten veredeln. In seiner Umsatzsteuervoranmeldung erklärte der Antragsteller Lieferungen von Lebensmitteln zum ermäßigten Steuersatz.
Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung kam der Prüfer zu der Auffassung, dass es sich bei der Lieferung von Werbemitteln aus dem "Food-Bereich" um eine sonstige Leistung in Form der Werbeleistung handele, die mit dem Regelsteuersatz zu versteuern sei.
Mitgliedstaaten der EU können Steuersatzermäßigung insbesondere für Nahrungs- und Futtermittel schaffen. In diesem Zusammenhang hat der EuGH entschieden, dass jedes für den menschlichen Verzehr bestimmte Erzeugnis, das dem menschlichen Organismus Nährstoffe liefert, die für die Erhaltung, den Betrieb und die Entwicklung dieses Organismus erforderlich sind, unter die Kategorie fällt, die im Anhang III Nr. 1 der MwStSystRL aufgeführt ist. Dabei spielt es keine Rolle, wenn der Verzehr dieses Erzeugnisses auch andere Wirkungen erzeugen sollte. Aus diesem Grund hat der BFH entschieden, dass ernstliche Zweifel daran bestehen, dass die Lieferungen von Werbemitteln aus dem "Food-Bereich“ dem Regelsteuersatz unterliegen.
Bei den vom Antragsteller gelieferten Lebensmitteln handelt es sich um Erzeugnisse, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind und dem menschlichen Organismus Nährstoffe liefern. Dass diese Erzeugnisse auch andere Wirkungen erzeugen, steht dem nicht entgegen. Das heißt, es steht der Steuersatzermäßigung nicht zwingend entgegen, dass der unmittelbare Abnehmer des Antragstellers Lebensmittel zur Erzielung einer Werbewirkung erwirbt. Die Besteuerung der Lieferungen des Antragstellers kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob seine Abnehmer die Gegenstände unentgeltlich oder gegen ein (geringeres Entgelt) abgeben.
Fazit: Der BFH hatte nur über die Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden und konnte somit eine Entscheidung in der Sache nicht vorwegnehmen. Der BFH nimmt allerdings Bezug auf das EuGH-Urteil vom 1.10.2021 (C-331/19).
Laut EuGH ist der Begriff der Nahrungsmittel nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, sodass die ernährungsbezogene Funktion für die Einstufung eines Erzeugnisses als Nahrungsmittel entscheidend ist. Es kommt nicht darauf an, ob dieses Erzeugnis gesundheitsfördernde Wirkungen hat, ob seine Einnahme für den Verbraucher einen gewissen Genuss mit sich bringt und ob seine Verwendung in einem bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhang erfolgt. Das heißt im Ergebnis, dass die ansonsten mit 7% zu besteuernden Lebensmittel durch die Verwendung als Werbemittel nicht dem Steuersatz von 19% unterliegen dürften.